Eichen vs. Justieren vs. Kalibrieren

G&G GmbH
2025-01-23 16:12:00 / Beratung und Informationen / Kommentare 0

Umgangssprachlich haben sich diese 3 Begriffe leider stark vermischt, sodass wir zunächst sicherstellen müssen, was genau denn benötigt wird.

In Kurzform:

·         Beim Justieren wird ein Messgerät neu eingestellt, um Messfehler möglichst zu vermeiden.

·         Beim Kalibrieren wird ein Messgerät geprüft und die verbliebenen Messfehler dokumentiert.

·         Beim Eichen wird ein eichfähiges Messgerät von einem Beamten des Eichamts geprüft und für die Verwendung für Aufgaben die dem Mess- und Eichgesetz unterliegen, freigegeben.

In etwas ausführlicher:

Justierung

Eine Justierung ist das neue Einstellen eines Messgerätes. Hierbei „lernt“ die Waage anhand von einem Referenzgewicht, wie schwer diese bestimmte Masse ist und stellt sich darüber neu ein.

Sofern ein passendes Referenzgewicht bereitsteht, ist die Justierung vom Kunden selbst durchführbar. Das für die Waage benötigte Gewicht wird von der Waage vorgegeben (bzw. von uns und über die Firmware gespeichert) und liegt immer im oberen Messbereich. Eine z.B. JJ100B mit 110g Kapazität wird z.B. mit einem 100g Gewicht justiert. Viele unserer kleinen Feinwaagen mit maximalem Messbereich von wenigen 100g werden direkt mit einem passenden Gewicht ausgeliefert oder können im Set bestellt werden.

Für eine große Plattformwaage wie unsere TC bis 600kg bräuchten Sie ein Referenzgewicht von 500kg, bzw. 50 * 10kg Gewichte. Das liegt natürlich nicht mit im Paket und kosten deutlich mehr als die Waage selbst. Sollte so eine Waage falsch wiegen, wäre am einfachsten die Waage zu uns zurück zu senden oder einen lokalen Wägetechniker mit der Justierung zu beauftragen.

Beachten Sie dabei auch, dass das Justiergewicht genauer sein muss, als die Waage das Gewicht erkennen kann. Würde eine extrem präzise Laborwaage, die ein Gewicht mit 0,001g Schritten erkennen kann, mit günstigen M2 Gewichten justiert, wäre die Waage anschließend verstellt.
Als Beispiel in Zahlen: Die Gewichtsstücke bis 100g bieten wir mit einer Toleranzen an von max:
± 0,016g (Genauigkeitsklasse M2)
± 0,0016g (Genauigkeitsklasse F2)
± 0,0005g (Genauigkeitsklasse F1)
± 0,00016g (Genauigkeitsklasse E2)

Kalibrierung / Kalibrierschein

Die Kalibrierung mit Zertifikat bescheinigt und dokumentiert die Ungenauigkeiten, die beim Einsatz eines Messgerätes auftreten. Meist im Anschluss an eine durchgeführte Justierung. Üblicherweise wird ein solcher Kalibrierschein im gewerblichen Einsatz im Rahmen der Qualitätssicherung für z.B. ISO-9001 konforme Anwendungen benötigt. Die Waage wird einer Messreihe mit bestimmten Gewichtsstücken unterzogen und die auftretenden Abweichungen dokumentiert. Dabei gibt es mehrere Stufen und unterschiedliche Zertifikate die angeboten werden:

Zertifikat Stufe 1: Werks-Kalibrierschein

Die einfachste Möglichkeit: Wir prüfen die Waage vor dem Versand nochmals auf die Einhaltung der Reproduzierbarkeit (mehrfaches aufsetzen desselben Gewichtes), Linearität (Messreihe „von klein bis groß“), Ecklastabweichung und eine Dauerlast. 
Liegen alle Abweichungen noch innerhalb der bekannten Toleranz der Waage (Siehe Datenblatt der Waage) besteht diese die Kalibrierung und der Kunde erhält ein Werks-Kalibrierschein als Prüfprotokoll.

Download Muster als PDF:

Diesen Werks-Kalibrierschein können wir gegen Aufpreis für alle G&G Waagen erstellen.
Der Schein kann bei einer Neubestellung einer Waage vor dem Versand erstellt werden, oder für bereits ältere Waage nach Rücksendung zu uns nach Kaarst. 

Zertifikat Stufe 2: Vor-Ort Kalibrierung

Aber: Da wir diese Kalibrierung nur bei uns im Werk durchführen können, ist nur zertifiziert, wie gut die Waage unter guten Umgebungsbedingungen bei uns in Kaarst arbeiten kann. 
Für einige Anwendungen genügt das nicht mehr. Wir können nicht prüfen wie genau oder ungenau die Waage tatsächlich am Einsatzort ist, wo die Toleranzen wegen schlechter Umweltbedingungen eventuell nicht eingehalten werden. Beispiel: Weil auf einem wackligen Tisch größere Abweichungen in der Reproduzierbarkeit auftreten oder ob ein linearer Fehler vor liegt, weil die Waage nicht waagerecht ausgerichtet wurde. Oder weil sich die Waage ja allein durch den Transport aufgrund von Erschütterungen oder Temperatureinflüssen ja bereits wieder verstellen kann. Einige Auditoren verlangen daher, dass die Kalibrierung nicht bei uns, sondern vor Ort am tatsächlichen Einsatzort durchgeführt wird.
Diese Kalibrierung wird von den meisten lokalen Wägetechnikern durchgeführt.

Zertifikat Stufe 3: DAkkS Kalibrierschein

Die nächste Stufe ist, dass die Kalibrierung gemäß DAkkS abgewickelt wird. Geprüft wird dabei das gleiche wie bei unserem Werks-Kalibrierschein, allerdings ist das Prüflabor von der DAkkS (Nachfolger des „Deutschen Kalibrier Dienstes“) akkreditiert. Der größte Unterschied ist, dass diese Scheine „Rückführbar“ sind und alle Prüfgewichte selbst im Ringtauschverfahren von anderer Stelle kalibriert werden. So ist ein regelmäßiger Abgleich mit den Urkilogramm sichergestellt.
Deutsche DAkkS Zertifikate in den meisten Ländern der Welt anerkannt. Aus dem Grund sind sie oft in grenzübergreifend arbeitenden Branchen wie der Luft- & Raumfahrt oder für interne Prozesse bei international arbeitenden Konzernen vorgeschrieben.
Auch bei dem DAkkS-Kalibrierschein wird wieder in die „Kalibrierung Vor-Ort“ und in die „Kalibrierung im Labor“ unterschieden.

Wir haben bei uns im Haus keine DAkkS akkreditierte Prüfstelle eingerichtet. Stattdessen arbeiten wir für Bestellungen von „Waage mit DAkkS Zertifikat“ mit externen Kalibrierdienstleistern zusammen.

 

Eichung: Rein gesetzlicher Vorgang

Die letzte Option ist die Eichung.

„Eichen“ wird umgangssprachlich oft falsch verwendet und mit einer Justierung verwechselt, Siehe das Lied „Männer“ von Herbert Grönemeyer. Eichen bedeutet aber so viel wie „Staatlich geprüft“. 
Eine Eichung darf nur von Beamten des Eichamts durchgeführt werden.

Die Eichung ist bei uns seit 1785 auf Veranlassung von Friedrich dem Großen, König von Preußen, gesetzlich vorgeschrieben. Damals wie heute dient das Eichen dazu, dass eine bewusste Manipulation von Marktwaagen verhindert wird und der Händler dem Kunden weniger verkauft, als der Kunde bezahlt. Beispiel: Am Marktstand kaufen Sie Lebensmittel zum Kilopreis von 1kg = 10€.
Die Waage zeigt 2kg an, Ihnen werden 20 € berechnet. In Wahrheit liegen aber nur 1.800g auf der Waage drauf.
Waagen mit denen über das Gewicht für Kunden ein Preis berechnet wird müssen seit seitdem alle 2 Jahre durch das Eichamt geprüft werden, an dem Marktstand genauso wie die in Kassen eingebauten Wägesysteme im Discounter. Auch alle anderen Arten von „Es wird über das Gewicht ein Preis berechnet“ fallen darunter, etwa Verpackungsmaschinen: „Weil 500g drinnen sind kostet es später im Laden 3 €“ und im Ankauf: „Für Ihren Goldring bezahle ich pro Gramm 10 €“.

Andere Anwendungen in denen geeichte Waagen gesetzlich vorgeschrieben sind ist der Medizinische Bereich, Personenwaagen in Arztpraxen genauso wie die Medikamentenherstellung in Apotheken oder Waagen in Medizinischen Laboren in der Diagnostik, sowie der offizielle/juristisch relevante Bereich.

Grundvoraussetzung:

Eine Eichung ist nur möglich, wenn die Waage eine „Eichfähigkeit durch Bauartzulassung“ besitzt. Dazu muss der Hersteller die Waagen in z.B. der Physikalisch Technischen Bundesanstalt prüfen lassen, ob diese den gesetzlichen Vorschriften entspricht.  
Technisch unterscheiden sich die Waagen unter anderem dadurch, dass nicht möglich ist, dass der Anwender die Waage selbst justieren kann. So wird ausgeschlossen, dass eine Justierung mit falschen Referenzgewichten durch den Anwender vorgenommen wird um die Waage bewusst ein falsches Gewicht anzeigen zu lassen.
Auch wird geprüft, ob die Waage technisch so zuverlässig ist, dass die Eichfehlergrenzen bei ordnungsgemäßer Nutzung bis zum nächsten Eichtermin eingehalten werden. Für eine „Feinwaage der Klasse 1“ die später in Apotheken verwendet wird, gelten dabei natürlich andere Grenzen als für eine „Handelswaage der Klasse 3“ am Gemüsestand auf dem Wochenmarkt, doch können diese Vorgaben nicht von Waagen erfüllt werden, die im Preisbereich einer Haushaltswaage liegen oder bei denen wir für eine einwandfreie Nutzung eine regelmäßige Justierung empfehlen (Teils mit mitgeliefertem Referenzgewicht).

Eichfähigen Waagen sind auf dem Typenschild gesondert gekennzeichnet:
Alt: Ein schwarzes M auf grünen Grund [M]

Neu: In einem 4-eck befindet sich der Buchstabe M zusammen mit dem Jahr der Bauartgenehmigung [M23], daneben die Angabe „e = x g“ für die Schritte der Ablesbarkeit und die Eichklasse als z.B. (|||).

Nach dem Kauf sind die Waagen meist vom Hersteller „erstgeeicht“ in dem eine Konformitätsbescheinigung erteilt wird. Als Anwender müssen Sie den Erwerb der Waage mit der Konformitätsbescheinigung oder Bauartzulassung Ihrem örtlichen Eichamt anzeigen und danach in regelmäßigen Abständen durch einen Beamten des Eichamts prüfen lassen, vergleichbar mit der Hauptuntersuchung am PKW alle 2 Jahre. Getestet wird dann unter anderem ob die Toleranzen der Waage noch innerhalb der gesetzlich geregelten „Eichfehlergrenzen“ liegen.
Besteht die Waage die Prüfung, ist sie wieder „geeicht“ und wird mit der Eichmarke gekennzeichnet.  Technische Arbeiten an diesen Waagen dürfen nur von staatlich anerkannten Instandsetzungsbetrieben durchgeführt werden, auch eine einfache Justierung gehört dazu.

Wenn Sie unsicher sind ob die Verwendung einer geeichten Waage erforderlich ist, finden Sie die Kontaktdaten aller Eichbehörden in Deutschland auf der Seite https://www.eichamt.de/

 

Hinweis für Kunden aus anderen EU Ländern: Die Details zur Durchführung der Eichung können bei Ihnen von dem Deutschen Eichgesetz abweichen, die Regularien selbst sind jedoch EU weit gemäß Richtlinie 90/384/EWG identisch.
Bitte informieren Sie sich vor dem Erwerb einer Waage in Ihrem lokalen Eichamt über die Details und ob für Ihre Anwendung eine geeichte Waage verwendet werden muss.