Damit man die Fehler genau versteht, ist zunächst ein wenig Theorie zum grundlegenden Aufbau einer Digitalwaage kennen lernt. Mit ausnahme der Analysenwaagen JJ-BC und JJ-BF benutzen alle G&G Waagen eine oder mehrere Wägezellen mit Dehnungsmesstreifen (Kurz: DMS) als als Messprinzip.
Der grundlegende Aufbau der DMS-Technik: Von der Elektronik wird eine Spannung in die Wägezelle geleitet.
Die Wägezelle selbst besteht aus einem Block aus Aluminium, der sich bei der Belastung zunehmend stark verformt, wie eine Feder die bei zunehmender Belastung immer weiter zusammengedrückt wird. Auf dem Aluminiumblock befinden sich die eigentlichen Sensoren: Mehrere Dehnungsmesstreifen, die bei zunehmender Belastung ebenfalls zusammengedrückt oder auseinander gezogen werden (je nach Position).
Dabei verändert sich der Leitungswiderstand in den Sensoren, je stärker die Belastung, desto größer wird der Widerstand. Der hat Einfluss auf die Spannung, je höher der Widerstand, desto mehr wird die Spannung abgeschwächt. Die mehr- bis weniger stark abgeschwächte Spannung fließt zurück in die Elektronik der Waage, wo aus einer Berechnung zwischen Eingang- und Ausgang die Stärke der Belastung ermittelt wird. Die eigentlichen Sensoren befinden sich bei den Wägezellen unter der weißen Gummischicht:
Die Waage kann also durch alles gestört werden, das entweder direkten Einfluss auf die Spannung des Messsignals nimmt, auf die Stärke der Verformung der Wägezelle oder auf den Widerstand in den DMS-Sensoren.
1. Temperatur:
Wie Sie wissen, dehnt sich Metall bei Wärme aus und zieht sich bei Kälte zusammen. Mit dem bloßen Auge nicht sichtbar, aber messbar. Aus dem Grund befinden sich vor Brücken Dehnungsfugen, die Brücke kann sich verformen ohne einzustürzen oder Risse zu bekommen.
Das gleiche passiert auch im inneren der Waage. Mit dem bloßen Auge nicht sichtbar, aber Messbar. In allen Bauteilen, der Wägezelle selbst sowie in allen elektronischen Bauteilen.
Je wärmer die Wägezelle wird, desto länger wird Sie. Und je länger die Wägezelle wird, desto größer ist die Hebelwirkung die ein aufliegendes Gewicht besitzt und damit die Wirkung einer auf der Wägezelle liegenden Masse.
Auch die elektronischen Bauteile und dadurch das Messsignal selbst wird durch die Temperatur beeinflusst. Jeder Draht, Stecker und Kabel besitzt einen eigenen Leitungswiderstand. Diese "Grundlast" lernt die Waage im Normalfall während der Justierung kennen und wirkt sich nicht auf das Ergebnis aus. Aber: Je wärmer die Bauteile werden, desto größer wird der Widerstand der im Inneren des Bauteils entsteht. Nutzbar ist dieser Effekt z.B. bei einem digitalen Thermometer, das vom Aufbau ganz ähnlich wie eine digitale Waage arbeitet. Der Strom fließt durch ein Kabel, je wärmer es wird, desto größer wird der Leitungswiderstand. Aus dem Unterschied zwischen Ein- und Ausgang ermittelt das Thermometer das Gewicht. Der gleiche Effekt tritt in allen Bauteilen der Waage ein, jedoch ungewollt.
Beides zusammen führt dazu:
Wenn Sie ein Gewicht bei 20°C auf die Waage stellen und den Raum auf 50°C erwärmen, wird die Anzeige aufgrund des „Temparaturdrifts“ weg laufen. Auf die Reproduzierbarkeit der Waage hat das keine Auswirkungen, aber die Linearität (hier ausführlicher erklärt) wird zunehmend abweichen und sich von der in der Skitze schwarzen Linie mit dem idealen Verlauf entfernen.
Sie können die Waage nun erneut justieren und die Waage auf „50°C“ einstellen. Wird es wieder kälter tritt der gleiche Effekt Rückwärts ein.
Professionelle Labor- oder Messräume sind daher klimatisiert und es wird ganzjährig eine bestimmte Temperatur gehalten. Wo das nicht möglich ist:
Der Aufstellort der Waage sollte nicht vor einem Fenster mit direkter Sonneneinstrahlung auf die Waage oder neben einer Heizquelle platziert werden. Wir empfehlen die Waage mindestens 15 Min. vor der Nutzung einzuschalten (Die elektrischen Bauteile werden sich leicht erwärmen sobald Strom durch fließt, es entsteht der gleiche Fehler und die Waage kann frisch eingeschaltet weglaufen).
Anschließend vor der eigentlichen Nutzung justieren und in Räumen mit größeren Temperaturschwankungen oder bei lang andauernden Messreihen ggf. periodisch während eines Durchgangs.
Alternativ: Baureihe JJ-BF, eine JJ-BC mit einem im Gehäuse eingebauten Justiergewicht. Bei einer Änderung von 1,5°C oder nach spätestens 3 Stunden wird die Justierung automatisch ausgelöst, mittels eines Elektromotors wird das Gewicht unter die Wägefläche gehängt und nach der Justierung wieder entfernt (Aufpreis ca. 120 €). Das hilft eine sich „einschleppende“ Abweichungen zu vermeiden.
2. Ruckler am Tisch
Besonders wenn die Sensibilität auf die höchste Stufe gestellt ist (Dosiermodus, einstellbar in vielen G&G Waagen) reagiert die Waage sofort und extrem empfindlich auf alle Erschütterungen am Arbeitsplatz. Gemeint ist kein Erdbeben, sondern wenn Sie beim Arbeiten den Tisch mit dem Arm berühren.
In dem Video der PLC und der Berührung mit einem Finger ist das recht deutlich erkennbar:
https://youtu.be/dj4NXSe4SbE?t=318
3. Einsatzort + nicht waagerechter Untergrund
Wieder eine generelle Info für alle Waagen vorab: Eine Waage ermittelt kein Gewicht, sondern nur eine Kraft.
Als Beispiel: Wenn Sie mit ihrem Arm auf die Waage drücken, dann wiegt die Waage nicht, wie schwer Ihr Arm ist. Sondern die Waage ermittelt die Kraft, mit der Sie drücken.
Drücken Sie nur ganz leicht, zeigt die Waage weniger an als Ihr Arm wiegt. Pressen sie mit viel Kraft dagegen, zeigt die Waage viel mehr an, als Ihr Arm an Knochen, Haut und Muskeln wiegt.
Dabei ist egal, ob die Waage gerade auf dem Boden steht und Sie vob oben dagegen drücken, oder Sie eine hochkant stehende Waage an eine Wand drücken.
So funktioniert auch die Messung: Technisch korrekt ermitteln wir die Stärke der Kraft, mit der die Erdbeschleunigung auf den Gegenstand einwirkt.
Und so dass man es versteht: Eine Waage ermittelt wie stark die Erdanziehungskraft den Gegenstand nach unten zieht.
Das Problem: Die Erdanziehungskraft ist nicht an jedem Ort der Welt gleich stark. Einen guten Überblick bietet diese Karte der Nasa:
https://svs.gsfc.nasa.gov/11234
Justiert sind unsere Waagen für den Einsatz in Deutschland und die hier herschenden Kräfte. Geht es um eine einfache Küchenwaage oder Personenwaage, sind die Unterschiede auch nicht so dramatisch dass der Kuchen woanders plötzlich anders schmeckt.
Aber: Bei einer Präzisions- oder Analysenwaage ist mindestens eine Justierung am Einsatzort nach der Lieferung erforderlich, um die Waage korrekt einzustellen.
Dabei gilt: Die Erdanziehungskraft wirkt gerade nach unten, in Richtung Erdkern. Und die meisten Waagen können nur das Gewicht ermitteln, das Senkrecht von oben nach unten wirkt.
Legen Sie den Gegenstand auf eine waagerecht ausgerichtete Waage, werden 100% der Gewichtskraft ermittelt. Drehen Sie die Waage um 90° und legen Sie einen Gegenstand drauf, fällt der Gegenstand einfach herunter ohne das die Waage irgend ein Gewicht im Display anzeigt. Es wird 0° ermittelt. 1° Neigung entspricht damit ca. 1,1% weniger Gewicht das ermittelt wird.
Falls sich ein Tisch nach dem Auflegen von einem 30kg schweren Paket verbiegt und dabei ein Gefälle von 1° entsteht, ermittelt die Waage diese 30kg nur noch mit 29,7kg. Der Messfehler von 300 Gramm liegt dabei nicht an der Waage.
Ein professioneller Wägetisch ist entweder massiv aus Granit, wiegt 500kg und ist unverformbar, egal was Sie damit machen. Oder er besitzt einen zweiteiligen Aufbau, bei dem in der Tischplatte die Sie beim Arbeiten ja zwangsläufig berühren, eine zweite kleine Tischplatte eingelassen ist auf den Sie die Waage stellen.
Die besitzt eigenen Rahmen und ist nicht mit der Tischplatte verbunden, sodass gar keine Berührung zwischen dem Arbeitstisch und dem Waagentisch möglich ist. Zusätzlich ist der Wägetisch meist aus einem schweren Stein und dämpfend gelagert, damit sich Erschütterungen aus dem Boden nicht in die Waage übertragen (Kann ab 0,0001g erforderlich sein).
Kostet: 4-Stellig, haben wir nicht im Sortiment.
Meist reicht: Ein kleiner Beistelltisch / Kommode der neben der Werkbank auf der Sie arbeiten.
4. Statische Aufladung
Ein sehr „gemeiner“ Fehler da vollkommen unsichtbar, der sehr große Probleme verursacht.
Den Effekt kennen Sie von einem Luftballon den Sie erst am Wollpulli reiben und dann an die Haare halten, die Haare werden vom Ballon angezogen. Halten Sie den „aufgeladenen“ Ballon über die Wägefläche, zieht die Ladung die Wägefläche nach oben, die Waage läuft in den negativen Bereich. Legen Sie den aufgeladenen Ballon auf die Waage, zieht sich der Ballon in Richtung Gehäuse nach unten. Die Waage ermittelt mehr als das eigentliche Gewicht. Von der reinen vorhandenen elektrostatischen Aufladung spürt man nichts, diese ist für den Menschen nicht wahrnehmbar. Ohne die mögliche Ursache zu kennen sieht daher alles nach einem Defekt der Waage aus. Merken können wir nur die plötzliche Entladung einer schon stark angestauten Spannung ab ca. 2.000 V bei dem Berühren einer Türklinke als „ein gewischt bekommen“.
Beim Wiegen von Gegenständen wie Paketen wird es keine Probleme geben. Aber wenn Wägegut über die Wägefläche gezogen wird oder beim Schütten von Pulver oder Granulat wenn die kleinen Körnchen aneinander reiben, entsteht auch hier eine Statische Ladung die sich auf die Messung auswirkt. Es kommt zu starken Abweichungen in der Reproduzierbarkeit und die Ergebnisse können im Display permanent stark schwanken.
Um die Ladung abzuführen, empfehlen wir Wägeschälchen aus Metall oder antistatischem Kunststoff. Zusätzlich ist relevant, wie der Raum aufgebaut ist. Insbesondere bei Kunststoffboden (PVC, Laminat oder Kunstharzbeschichtungen) auf dem Sie in Schuhen mit Kunststoffsohle stehen, funktioniert das Umfeld wie eine Gummiisolierung um ein Stromkabel und verhindert eine natürliche Erdung. Hier helfen die für die Arbeit an sensiblen Elektrobauteilen gedachten ESD-Schutzmaßnahmen wie leitfähige Arbeitsoberflächen oder Armbänder mit Anschluss an den Erdungspol der Steckdose.
Die häufigste Ursache ist ganz leicht vermeidbar: Wenn im oben genannten Beispiel der Pulli nicht aus Wolle besteht, sondern Polyester, wird sich der ebenfalls statisch aufladen. Auch ganz ohne Ballon durch normale Bewegung. Das Display der Waage fängt an zu laufen, sobald Sie sich mit dem Ärmel der Waage nähern.
Problematisch: Kunststoffgranulat, Folien, Schaumstoff und weitere Materialien die nicht leitfähig sind.
Es ist nicht möglich darin gespeicherte statische Ladung über die Wägefläche oder ein Wägeschälchen abzuführen. Der einzige Weg hierbei Probleme zu vermeiden ist, das Wägegut mit einem Ionisator zu "entladen". Bei gelegentlicher Nutzung kann z.B. einer "Antistatikpistole" in der ein Piezo-Kristall eine Spannung erzeugt (Erhältlich im HiFi-Handel, verbreitet um Staub von Schallplatten zu entfernen).
Bei größeren Mengen und häufiger Anwendung wird ein professioneller Ionisator neben der Waage abhilfe schaffen (Kostet 4-Stellig, haben wir nicht im Sortiment).
5.Elektrische oder magnetische Felder
Sie kennen den Effekt von einem Radio oder Mikrofon, neben das Sie ein Handy legen und anrufen. Die Funkstrahlung wird von der Antenne des Handys ohne Zielrichtung in alle Richtungen ausgestrahlt und im Normalfall von dem Sendemast in ein paar km Entfernung empfangen. Dabei entsteht immer, wenn die „Frequenzwelle“ auf die Antenne in den Sendemasten trifft eine Spannung, die wiederum von der Software im Sendemast verstanden und als Gesprächsdateien weitergeleitet werden.
Liegt das Handy nah an der Antenne des Radios, werden auch darin Spannungen erzeugt die den Empfang des Radiosignals stören. Es knackt und brummt hörbar im Lautsprecher.
Eine Waage besitzt keine Antenne, doch wirken sich diese Felder auf alle leitenden Bauteile wie Kabel und Sensoren aus, in allen Elektrogeräten.
Bei den meisten Geräten unproblematisch, doch muss die Auswerteelektronik einer digitalen Waage zwangsläufig empfindlicher arbeiten als ein Empfänger eines Radios.
Neben der weit reichenden Strahlung von Mobiltelefonen und anderen Hochfrequenzfeldern die uns allgegenwärtig umgeben (W-Lan, Funkmaus am PC, Radiosignale...) werden auch Felder von unseren normalen 230V/50 Hz Stromleitungen und daran angeschlossenen Geräten verursacht und sind auch aktiv, wenn kein Gerät dran angeschlossen ist. Über diese Felder lassen sich übrigens mit einem Leitungssuchgerät in der Wand verlegte Kabel aufspüren bevor Sie ein Loch bohren.
Niederfrequenzfelder (Etwa von normalen Stromkabeln mit Wechselstrom) breiten sich jedoch nur in einem sehr kleinen Umfeld aus und sind bei schwachen Geräten schon nach wenigen cm nicht mehr wahrnehmbar.
Im Normalfall sorgen die Softwarefilter dafür, das ein zwischenzeitliches „Knacken“ im Messsignal ausgefiltert und nicht im Display angezeigt wird.
Problematisch wird, wenn Sie die Waage im Dosiermodus betreiben (Alle Filter sind deaktiviert, die Waage zeigt jede Änderung im Messsignal an).
Befinden sich „strahlende“ Geräte in der Nähe, wird sich das bei der PLC und anderen Waagen mit Kunststoffgehäuse auf das Messsignal auswirken (Kunststoff wird problemlos durchdrungen).
Sofern unvermeidbar: In der JJ-A und JJ-B befindet sich unter dem eigentlichen Gehäuse eine Kapsel aus Alu-Guss, in der sich die Wägezelle befindet.
Elektrische Felder in der Stärke von normalen Haushaltsgeräten stellen kein Problem dar:
Magnetische Felder verursachen ähnliche Störungen wie elektrische Felder, lassen jedoch kaum abschirmen und durchdringen Aluminium oder Stahl ohne Probleme. Magnetische Felder gehen besonders von starken Elektromotoren aus (Staubsauger, Bohrmaschinen oder speziell im Laborbereich Zentrifugen, Rührer, Rüttler...). Diese Felder entstehen nur, wenn das entsprechende Gerät eingeschaltet ist und breiten sich nur in einem sehr kurzen Abstand aus. Sofern unvermeidbar und Waage und weitere Geräte zur gleichen Zeit betrieben werden, empfehlen wir einen Abstand von etwa einem Meter.